»Moderne Regionalmesse hat Zukunft«

Aus für Achalm- und Ermstalwoche:Wirtschaft und Stadt Reutlingen an Nachfolge-Projekt sehr interessiert

Von Holger Dahlhelm

Käse-Schmankerl aus Österreich auf der Reutlinger Achalmwoche 2002: Hat eine Verbraucher-Ausstellung solchen Zuschnitts überhaupt noch Chancen in der Region? Die Messe-Macher der Mannheimer Gesellschaft Intax haben das Handtuch geworfen und Insolvenz angemeldet. Foto: Archiv/Störk

Reutlingen/Metzingen. (GEA) Die Messemacher von Intax sind offenbar finanziell am Ende, mit ihr Achalm- und Ermstalwoche und gleichartige Veranstaltungen an etlichen Standorten mehr im Land. Dennoch: Eine Verbraucher-Ausstellung von modernem Zuschnitt hat in der Region Neckar-Alb durchaus Zukunft, ist die Industrie- und Handelskammer überzeugt. Gemeinsam mit Städten und Gemeinden will sie daran arbeiten, dass eine wirklich attraktive Messe für jedermann und echte Leistungsschau der regionalen Wirtschaft zur festen Einrichtung wird.

1994 hatte die Mannheimer Intax-Gesellschaft mit der ersten Achalmwoche an den Erfolg früherer Ausstellungen in Reutlingen und anderswo anzuknüpfen versucht. Anfangs war das Interesse der Wirtschaft riesig, strömten 60 000 Besucher und mehr in die mobilen Ausstellungshallen auf den Bösmannsäckern. Das blieb nicht so. In diesem Herbst sank die Zahl der Messestände drastisch, und mit 27 000 Gästen blieb die Resonanz weit unter den Erwartungen, trotz am Ende freien Eintrittes. Ähnlich das Bild in Metzingen. Zur ersten Ermstalwoche 1985 strömten 83 000 Leute. Bei der letzten Messe im Jahr 2001 waren es gerade mal noch 43 000 Besucher auf dem Bongertwasen.

»Massiv unter Druck«

Einen Grund sah die Intax in zu vielen konkurrierenden Veranstaltungen, darunter solchen der rührigen Wirtschaftsvereinigung »RT aktiv«. In konjunkturell schwierigen Zeiten hätten die Unternehmen finanziell und personell keinen Spielraum mehr für ihre Beteiligung an einem »Schaufenster der Region«. Überdies zeigten die Kunden Zurückhaltung bei Spontan-Käufen, nicht zuletzt eine Folge der allgemein kritisierten Preisgestaltung seit Euro-Einführung.

»Überall stehen die Messen massiv unter Druck«, selbst Fachausstellungen müssen kurzfristig abgesagt werden, weiß Wolfgang Geisel, Leiter des Reutlinger Amtes für Wirtschaftsförderung. Das Ende der Intax überrascht ihn deshalb nicht. Und was die Achalmwoche betrifft, so steht für ihn wie für die Experten der Industrie- und Handelskammer fest: So ein kunterbuntes Allerlei »macht keinen Sinn mehr«. Aber moderne regionale Messen haben Zukunft, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp. Als Voraussetzungen nennt er professionelle Organisation und eine Konzeption, die Zielgruppen anspricht ­ ohne gleich mit internationalen Fachmessen konkurrieren zu wollen.

Auch Ewald Heinzelmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, sieht Chancen. Eine solche Ausstellung müsse jedoch die örtliche Wirtschaft viel stärker einbinden, sagt er. Nicht nur das Handwerk (das 2000 noch stark auf der Achalmwoche vertreten war, aber in diesem Herbst seine Vorstellungen nicht berücksichtigt sah und deshalb auf Abstand ging) und der Handel, sondern ebenso Industrie und Dienstleistung in ihrer ganzen Vielfalt. Dabei sollten auch reine Verkaufsstände wie für Patentpfannen oder Gurkenhobel »nicht verteufelt oder schlecht geredet werden«; denn wo der eine einfach vorbeigehe, bleibe der andere stehen. Zu einer solchen Messe kämen alle Alters- und Interessengruppen, »wir müssen an alle denken«.

»Wichtig ist es, Themen zu setzen«: Die klare Unterteilung einer solchen Ausstellung findet Heinzelmann unerlässlich. Eine ganze Halle könnte ­ als Beispiel dem rationellen Energieeinsatz in Haus und Betrieb vorbehalten sein, eine andere Lebenshilfen im Alter, eine dritte der Aus- und Fortbildung vom Handwerk bis zur Hochschule. Dann wäre auch das Handwerk wieder dabei. »Aber so was muss professionell organisiert sein.«

»Brühwürfelmesse«

Vorbilder kennt Heinzelmann, nennt als Beispiele den Mannheimer Maimarkt, die Oberschwabenschau in Ravensburg. Schließlich ist Reutlinger Großstadt. Eine »Brühwürfelmesse« (IHK-Jargon) nach dem Zuschnitt dörflicher Festzelt-Veranstaltungen lockt hier keinen Hund mehr hinterm Ofen vor ­ weder Aussteller noch Publikum. Und: »Wir haben das Potenzial«, sagt IHK-Chef Epp, mehr zu bieten ­ einen Spiegel der Wirtschaft im Bereich Neckar-Alb, völlig unabhängig davon, was sich auf den Fildern in Sachen Messe noch tun wird.

Kann aber Reutlingen der Standort sein, sind die Bösmannsäcker noch geeignet? Diese Frage will Wolfgang Epp aus dem Handgelenk nicht beantworten, sondern bei den Konferenzen zwischen Kammern und Kommunen auf die Tagesordnung setzen und Experten vortragen: »Da muss ein Profi ran.« Dass eine Regional-Messe von einer Stadt zur anderen wandern könnte, schließt er freilich aus; eine solche Ausstellung brauche ihren festen Rahmen und die notwendige Infrastruktur. Deshalb werde Metzingen wohl nicht zum Zuge kommen. Aber mit einem Standort Reutlingen wären die Ermstäler Aussteller auch gut bedient: »Im Umfeld profitieren alle davon.«

Ewald Heinzelmann bricht eine Lanze für den alten Festplatz: »Die Bösmannsäcker sind besser als ihr Ruf.« Auf dem brachliegenden Proviantamt-Areal gebe es Reserveflächen, Parkplätze in der Nähe ebenso, Pendelbus-Linien hätten sich bei anderen Veranstaltungen bewährt. Und die Stadt hat Pläne für feste Ausstellungs- und Versorgungsbauten in der Schublade.

Kommunale Messe-GmbH?

Wie es weitergehen soll? Stadt und IHK wollen das Thema Regional-Messe ansprechen, wenn ihre Vertreter wieder mit denen der 66 anderen Städten und Gemeinden der Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb konferieren. Hand in Hand mit dem Regionalverband, so Wolfgang Epp, soll ein zukunftweisendes Konzept ausgearbeitet werden. Vielleicht steht am Ende die Gründung einer kommunalen Messegesellschaft ­ die sich, von Ausstellung zu Ausstellung, einen fähigen Veranstalter als Partner ins Boot holt? Epp: »Wir haben unsere Fühler ausgestreckt.«

Auch Wolfgang Geisel kann sich eine solche Lösung gut vorstellen. Denn dass die Wirtschaft ihre Kräfte weiterhin auf mehrere kleine lokale Ausstellungen zersplittert, habe keine Zukunft: Für die Familie in Tübingen, Münsinger Herbst, Reutlingens Achalm- und Metzingens Ermstalwoche ­ welcher Betrieb kann es sich leisten, sie alle zu beschicken?


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